Orbifaltigkeit

In der Topologie ist eine Orbifaltigkeit (englisch: Orbifold) eine Verallgemeinerung einer Mannigfaltigkeit.

Definition

Wie auch eine Mannigfaltigkeit wird eine Orbifaltigkeit durch lokale Eigenschaften beschrieben. Anders als eine Mannigfaltigkeit, die lokal eine offene Teilmenge des R n {\displaystyle \mathbb {R} ^{n}} darstellt, wird eine Orbifaltigkeit lokal durch Quotienten von offenen Teilmengen des R n {\displaystyle \mathbb {R} ^{n}} nach endlichen Gruppenoperationen beschrieben.

Eine n {\displaystyle n} -dimensionale Orbifaltigkeit ist ein topologischer Hausdorff-Raum X {\displaystyle X} , den man den unterliegenden Raum nennt, mit einer Überdeckung durch offene Teilmengen U i {\displaystyle U_{i}} , die abgeschlossen ist unter endlichen Schnitten. Für jedes U i {\displaystyle U_{i}} gibt es:

  • eine offene Teilmenge V i {\displaystyle V_{i}} des R n {\displaystyle \mathbb {R} ^{n}} , welche invariant unter einer treuen endlichen Gruppenoperation Γ i {\displaystyle \Gamma _{i}} ist;
  • eine stetige Abbildung ϕ i {\displaystyle \phi _{i}} von V i {\displaystyle V_{i}} nach U i {\displaystyle U_{i}} , die invariant unter Γ i {\displaystyle \Gamma _{i}} ist, auch Karte der Orbifaltigkeit genannt.

Eine Menge von Karten nennt man einen Atlas der Orbifaltigkeit, wenn folgendes gegeben ist:

  • Für jede Inklusion U i U j {\displaystyle U_{i}\subset U_{j}} gibt es einen injektiven Gruppenhomomorphismus f i j : Γ i Γ j {\displaystyle f_{ij}\colon \Gamma _{i}\rightarrow \Gamma _{j}} und einen f i j {\displaystyle f_{ij}} -äquivarianten Homöomorphismus ψ i j {\displaystyle \psi _{ij}} von V i {\displaystyle V_{i}} auf eine offene Teilmenge von V j {\displaystyle V_{j}} (auch als Verklebeabbildung bezeichnet), der mit den Karten kompatibel ist, d. h.:
ϕ j ψ i j = ϕ i {\displaystyle \phi _{j}\psi _{ij}=\phi _{i}} .
Die Verklebeabbildung soll bis auf Translation eindeutig sein, d. h., zu zwei Verklebeabbildungen ψ i j , ψ i j {\displaystyle \psi _{ij},\psi _{ij}^{\prime }} soll es ein g Γ j {\displaystyle g\in \Gamma _{j}} mit ψ i j = g ψ i j {\displaystyle \psi _{ij}^{\prime }=g\psi _{ij}} geben.

Beispiele

  • Ein einfaches Beispiel ist eine Identifizierungstopologie für eine Gruppenwirkung mit Fixpunkten. Es sei die reelle Zahlengerade R {\displaystyle \mathbb {R} } durch die Koordinate x {\displaystyle x} parametrisiert. Nun entsteht durch die Identifizierung x x {\displaystyle x\sim -x} ein Fixpunkt in x = 0 {\displaystyle x=0} . Der durch Identifizierung entstehende Quotientenraum ist das einfachste Beispiel einer Orbifaltigkeit.
  • Orbifaltigkeiten, die durch Quotientenbildung aus der Wirkung einer endlichen Gruppe auf einer Mannigfaltigkeit entstehen, heißen gute Orbifaltigkeiten.

Anwendung in der Stringtheorie

Wenn die (10 + 1)-dimensionale heterotische Stringtheorie mit einer unterliegenden Mannigfaltigkeit kompaktifiziert wird, ist man meistens daran interessiert, wann man für N = 1 {\displaystyle N=1} eine supersymmetrische Theorie in vier Dimensionen erhält. Sind einige Annahmen gegeben, ergibt sich, dass diese unterliegenden Mannigfaltigkeiten Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten sein müssen. Weil die explizite Metrik für fast alle Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten nicht bekannt ist, versucht man Orbifaltigkeiten zu konstruieren, die ein Limes der jeweiligen Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten sind, wobei hier die Metrik explizit bekannt ist.

Literatur

  • William Thurston: The Geometry and Topology of Three-Manifolds (Chapter 13), Princeton University lecture notes 1980. PDF
  • Barton Zwiebach: A First Course in String Theory, Cambridge University Press 2004, ISBN 0521831431
  • Katrin Becker, Melanie Becker und John H. Schwarz: String Theory and M-Theory, A modern introduction, Cambridge University Press 2006, ISBN 0521860695
  • Suhyoung Choi: Geometric structures on orbifolds and holonomy representations. Geom. Dedicata 104 (2004), 161–199.