Akupressur

Die Akupressur (von lateinisch acus „Nadel“ und premere „drücken“), auch Akupunktmassage genannt, ist ein auch prophylaktisch angewandtes Heilverfahren, bei dem auf den Körper stumpfer Druck an definierten Stellen ausgeübt wird.

Die Akupressur grenzt sich von Shiatsu ab. Dort wird zwar auch Druck während der Behandlung ausgeübt, dieser ist sehr viel größer als bei der Akupressur. Zudem orientiert sich der an bestimmten Punkten ausgeübten Druck zusätzlich an der Wahrnehmung der Körperhaltung, der Atmung und der Bewegung des Patienten.[1]

Herkunft

Es gibt zwei verschiedene Theorien über den Ursprung der Akupressur. Bei der einen wurde diese in Indien entwickelt und gelangte dann nach China. So war Akupressur in Indien stark vertreten. Nachdem der Buddhismus nach China gelangte, wurde auch Akupressur in die medizinische Praxis Chinas eingeführt und soll als Akupunktur weiterentwickelt worden sein. Für diese Theorie werden die maßgeblich analogen Konzepte herangeführt.[2][3]

Bei der zweiten Theorie wurde Akupressur ursprünglich in China entwickelt. Gemäß dem Huangdi neijing, eines der ältesten bekannten Standardwerken der chinesischen Medizin, wurde im Ling shu Jing-Band (auch Ling shu) sowohl Akupressur als auch Akupunktur in einem Kapitel erwähnt.[4]

Anwendungsgebiete

Die Akupressur wird für ein sehr breites Feld an Krankheiten, Beschwerden und Problemen empfohlen. Dies soll durch Ausüben von Druck an spezifischen Punkten der Körperoberfläche erreicht werden, sei es manuell (z. B. durch den Daumen, den Handballen, Ellbogen) oder mit einer Reiche von Instrumenten.[5] Sie wird empfohlen für psychische Probleme, akute und chronische Schmerzen, Allergien, Missempfindungen, Schlafstörungen, Krämpfe, Verdauungsstörungen und Probleme mit dem Kreislaufsystem.[6] Sie wird nicht empfohlen für die ausschließliche Behandlung von Zwangsstörungen, Depressionen, Selbstmordgedanken und chronischer Müdigkeit.[7]

Insgesamt soll die Akupressur die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren. Hierbei wird in der Regel die vorsorgliche Anwendung empfohlen, anstelle der symptombezogenen Behandlung. Außerdem wird häufig eine Zusammenarbeit mit einer medizinischen Behandlung empfohlen.[8]

Wirkung

Die Akupressur geht wie bei der Akupunktur von der Existenz von Meridianen und Tsubos aus, die sich aber nicht mit modernen medizinischen Erkenntnissen vereinen lassen.[5] Sofern eine Wirkung eintritt, ist also der Mechanismus unklar oder beruht auf dem Placeboeffekt. Bei Studien kann ein Scheinverfahren realisiert werden, indem man Druck auf Stellen ausübt, die keine Akupunkturpunkte sind. Im Gegensatz zur Akupunktur werden aber keine Nadeln benötigt, womit entsprechende mögliche Nebenwirkungen (zum Beispiel Schmerzen, Verletzung eines lebenswichtigen Organs oder Einschleppung von Infektionen) nicht auftreten.[5]

Eine systematische Übersichtsarbeit untersuchte die Wirksamkeit von Shiatsu und Akupressur, da beide Methoden sich sehr ähnlich seien. Die Arbeit fand keine Evidenz für die Wirksamkeit von Shiatsu, wofür deutlich weniger Studien zur Verfügung standen, aber von Akupressur für Schmerz, Übelkeit, Erbrechen und Schlafqualität.[9]

Eine weitere systematische Übersichtsarbeit von 2011 untersuchte 43 randomisierte, kontrollierte Studien für die Behandlung von verschiedenen Symptomen.[10] Drei Studien zeigten eine Wirkung bei der Behandlung von Menstruationsschmerzen. Bei der Auswertung von sechs Studien zeigte sich auch eine Wirkung bei Übelkeit und Erbrechen. Ebenso konnte eine Wirkung bei Muskelschmerzen, Dyspnoe, Schlafstörungen und Fatigue gefunden werden. Die Autoren selbst vermuten einen starken Bias in den überprüften Studien, welcher die Ergebnisse verzerrt haben könnte.

Ein Cochrane-Review von 2014 untersuchte eine mögliche Wirkung von Akupressur auf eine Raucherentwöhnung.[11] Es gibt hierfür aber keine guten Belege zur Wirksamkeit. Ein anderer Cochrane-Review von 2020 für Akupunktur und Akupressur kam zu dem Schluss, dass Akupressur gegen Wehenschmerzen helfen könnte, aber die Schmerzverminderung nicht sehr groß ist.[12] Die Qualität der Evidenz ist aber sehr gering.

Der am besten untersuchte Druckpunkt ist „P6“, er befindet sich an der Innenseite des Unterarms, etwa drei Zentimeter vom Handgelenk entfernt.[5] Umstritten ist, ob eine Wirkung gegen Übelkeit und Schluckauf erzielt werden kann.[5]

In einer Meta-Studie, in der 39 Studien ausgewertet wurden, konnte eine Wirksamkeit von mittlerer Effektstärke von Akupressur gegen Ängste bei Erwachsenen vor einer Operation oder Behandlung festgestellt werden.[13]

Literatur

  • Herbert Mihm: Das große Buch der Akupressur. Med.-Literarische Verlag, Uelzen 2005, ISBN 3-88136-229-0.
  • Paul U. Unschuld: Akupressur. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 27.
  • Wolfgang Michel-Zaitsu: Traditionelle Medizin in Japan – Von der Frühzeit bis zur Gegenwart. München: Kiener, 2017. ISBN 978-3-943324-75-4.
Wiktionary: Akupressur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Edzard Ernst: Heilung oder Humbug?: 150 alternativmedizinische Verfahren von Akupunktur bis Yoga. 1. Auflage. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61708-3, S. 233–234, doi:10.1007/978-3-662-61709-0. 
  2. S.V. Govindan: Ayurvedic Massage: For Health and Healing. Abhinav Publications, 2000, ISBN 978-81-7017-393-9, S. 121 (englisch). 
  3. Joseph S. Alter: Asian Medicine and Globalization. University of Pennsylvania Press, 2013, ISBN 978-0-8122-0525-1, S. 27 (englisch). 
  4. San, Tse Ching, et al. (1985). The science of acupuncture . Jakarta: RSCM. p. 13.
  5. a b c d e Edzard Ernst: Heilung oder Humbug?: 150 alternativmedizinische Verfahren von Akupunktur bis Yoga. 1. Auflage. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61708-3, S. 177–178, doi:10.1007/978-3-662-61709-0. 
  6. Christina Mildt: Praxis Akupressur. Stuttgart 2012, S. 5. (GoogleBooks)
  7. Michael Gach, Beth Henning: Akupressur für emotionale Probleme. New York 2004, S. 11. (GoogleBooks)
  8. Christina Mildt: Praxis Akupressur. Stuttgart 2012, S. 5. (GoogleBooks)
  9. N. Robinson, A. Lorenc, X. Liao: The evidence for Shiatsu: a systematic review of Shiatsu and acupressure. In: BMC complementary and alternative medicine. Band 11, 2011, S. 88, doi:10.1186/1472-6882-11-88. PMID 21982157, PMC 3200172 (freier Volltext) (Review).
  10. E. J. Lee, S. K. Frazier: The efficacy of acupressure for symptom management: a systematic review. In: Journal of pain and symptom management. Band 42, Nummer 4, Oktober 2011, S. 589–603, doi:10.1016/j.jpainsymman.2011.01.007. PMID 21531533, PMC 3154967 (freier Volltext) (Review).
  11. Adrian R. White et al.: Acupuncture and related interventions for smoking cessation. In: The Cochrane Database of Systematic Reviews. Band 2014, Nr. 1, 23. Januar 2014, S. CD000009, doi:10.1002/14651858.CD000009.pub4, PMID 24459016, PMC 7263424 (freier Volltext) – (englisch). 
  12. Helfen Akupunktur oder Akupressur, die Schmerzen während der Entbindung zu lindern? In: Cochrane Q&A. Cochrane Schweiz, abgerufen am 8. Juni 2023. 
  13. D. W. Au, H. W. Tsang, P. P. Ling, C. H. Leung, P. K. Ip, W. M. Cheung: Effects of acupressure on anxiety: a systematic review and meta-analysis. In: Acupuncture in Medicine. Band 33, Nummer 5, Oktober 2015, S. 353–359, doi:10.1136/acupmed-2014-010720. PMID 26002571.